Schwarzweißfotografie – Historische Aufnahme von 7 Männern mit Hüten die herumalbern
Unsere Geschichte

Mitarbeiter der Künstlerkolonie Darmstadt, 1901 © Kunst Archiv Darmstadt e.V.

Geschichte

Unsere Geschichte

»Die Kunst ist nichts anderes als eine harmonische und ästhetische Inszenierung des Lebens, Kunst ist nichts anderes als das Leben aus der Sicht eines Temperamentes und seines Bewußtseins. Kann eine Schule das Bewußtsein wachrufen? Nein.« (Joseph Maria Olbrich)

»Liest man unser Vorlesungsverzeichnis, so glaubt man, man sei im Max-Planck-Institut. Geht man in die Klassen, so denkt man, man ist in einer Klippschule.« (Helmut Lortz)

Wurzeln in der frühen Moderne (1899–1914)

1899 gründet Großherzog Ernst Ludwig mit sieben bedeutenden Vertretern des Jugendstils die Künstlerkolonie Darmstadt, um vorbildliche kunstgewerbliche Entwürfe für die wirtschaftliche Entwicklung der Region nutzbar zu machen. Schnell kristallisiert sich Joseph Maria Olbrich als Kopf der Gruppe heraus.

Er ist auch der einzige, der die Künstlerkolonie nicht wegen attraktiverer Angebote oder wegen Unstimmigkeiten bald wieder verlässt.

Um den ständigen Wechsel der Künstler einzudämmen, beruft man 1906 vornehmlich Mitglieder mit Lehrerfahrung und richtet Lehr-Ateliers für angewandte Kunst ein, die am 1. Januar 1907 eröffnet werden. In den Hauptfächern unterrichten die vier neuen Mitglieder Albin Müller, Friedrich Wilhelm Kleukens, Ernst Riegel und Heinrich Jobst.

Olbrich lässt sich unter dem Vorwand zu großer Arbeitsbelastung von einer Beteiligung an der Lehre befreien – in Wahrheit steht er dem Projekt einer Schule mit starrem Lehrplan äußerst kritisch gegenüber.

Sein Ziel ist es, den Charakter seiner Schüler zu bilden, ihr soziales Verantwortungsbewusstsein zu wecken und sie »für das Leben stark und nützlich« zu machen, was sich nur in der bisher von ihm praktizierten Ausbildung im Atelier realisieren lasse. 1908 beteiligt sich die neue Lehreinrichtung mit einem eigenen Raum an der Hessischen Landesausstellung auf der Mathildenhöhe. Aber schon 1910 sinkt die Schülerzahl so deutlich, dass die Lehrateliers im Frühjahr 1911 wieder geschlossen werden.

Zwischen den Weltkriegen (1918–1945)

Nach der Absetzung des Großherzogs im November 1918 bildet sich in Darmstadt der Ständige Rat zur Pflege der Kunst in Hessen. Seine Aufgabe ist es, unter den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen die Kulturpolitik zu gestalten. Auch die verbliebenen Mitglieder der Künstlerkolonie übernehmen tragende Rollen in dem Gremium. Alle Bemühungen, das Kunstgewerbe wieder in seinen alten Rang zu versetzen, schlagen jedoch fehl: 1919 startet eine Initiative zur Zusammenarbeit kunsthandwerklicher Betriebe mit den noch ansässigen Kolonie- Mitgliedern – die angesprochenen Firmen zeigen allerdings kein Interesse.

Auch das 1920 vom Rat anvisierte Projekt einer großen Kunstgewerbeausstellung scheitert am mangelnden Engagement der Unternehmer. In den Ateliers der verbliebenen Künstlerkolonie-Mitglieder werden aber weiterhin einzelne Lehrlinge ausgebildet. Beispielsweise ist der heute weltberühmte Grafiker Herbert Bayer, der später ans Bauhaus wechselt, zwischen 1919 und 1920 bei Emanuel Josef Margold beschäftigt.

Nachdem die Künstlerkolonie Darmstadt 1929 formell aufgelöst wurde, liegt die einst bedeutende kunstgewerbliche Tradition Darmstadts während der Zeit des Dritten Reiches weitgehend brach. Die geringe Bedeutung des Darmstädter Kunstgewerbes in diesem Zeitraum geht aber nicht auf die nationalsozialistische Politik zurück, sondern bildet lediglich den Endpunkt einer Entwicklung, die nach dem Ersten Weltkrieg einsetzt und aufgrund der wirtschaftlichen Lage dazu führt, dass die freie Kunst dem Kunstgewerbe in Darmstadt den kulturpolitischen Rang abläuft.

Diese Konstellation spült jetzt Adolf Beyer – zwischen 1907 und 1911 Leiter der Kurse in Figurenzeichnen an den Großherzoglichen Lehrateliers für angewandte Kunst – an die Spitze der Darmstädter Kunstszene. Er gehörte zu den ersten Mitgliedern des 1928 gegründeten Kampfbundes für deutsche Kultur (KfdK), der sich gegen die »Verbastardisierung und Vernegerung« des Lebens wendet. Seine Mitgliedschaft in der NSDAP verschafft Beyer ab 1933 den Posten eines Ratsherrn und damit ein breites kulturpolitisches Betätigungsfeld.

Neustart in der gestalterischen Ausbildung
(1946–1971)

Nach dem Krieg wagen verschiedene Initiatoren um den Maler Paul Thesing einen Neustart in der gestalterischen Ausbildung auf der Mathildenhöhe. Im Februar 1946 installieren sie »Lehrwerkstätten der bildenden Kunst« – einen ersten Basisbetrieb mit pragmatischem Programm. 1949 schließt sich die Schule der Arbeitsgemeinschaft deutscher Werkkunstschulen an und wird in Werkkunstschule Darmstadt umbenannt.

Unter dem 1951 berufenen Direktor Hans Hartl bietet sich 1954 eine attraktive Entwicklungsperspektive: Der Architekt Karl Otto stellt im Auftrag des Kultusministers und des kurz zuvor in Darmstadt gegründeten Rat für Formgebung ein anspruchsvolles Konzept für eine Darmstädter »Modell-Schule« mit Hochschulrang vor. Ins Auge gefasst wird die enge Verflechtung mit der Technischen Hochschule. Wegen persönlicher Querelen um Hans Hartl, aber auch wegen des zögerlichen Agierens des Ministeriums lassen sich diese ambitionierten Pläne jedoch nicht verwirklichen. Eine riesige Chance ist damit vertan.

1960 wird ein neuer Direktor für die Werkkunstschule gewonnen: Friedrich Christoph Hüffner. Er baut die Schule systematisch aus – neue Stellen für Fotografie, Gebrauchsgrafik und Typografie werden besetzt und erste Pläne für eine Filmklasse geschmiedet. Zeitgleich gelingt es Heinz Georg Pfaender, die Abteilung Industrieform als eine der wenigen praxisgerechten Ausbildungsstätten für dieses Gebiet in Deutschland zu profilieren.

Theoretische Lehrfächer wie politische Ästhetik und Kunstsoziologie ergänzen das Vorlesungsverzeichnis.

Damit hat die Schule ihre künstlerische Vergangenheit endgültig abgestreift und präsentiert sich als Gestaltungsschule moderner Prägung – allerdings ohne klaren Status. Wegen seines autokratischen Stils und seiner mangelnden Reformbereitschaft entziehen die Dozenten und Studierenden Hüffner 1969 das Vertrauen.

Ab dem Wintersemester dieses Jahres wird die Schule als Modellschule mit Vorausgenehmigung des Ministeriums nach dem brandaktuell erarbeiteten Grundsatzprogramm einer »Hochschule für Design« geführt, auch die Eingliederung als autonomer Fachbereich in die Technische Hochschule wird erwogen.

Deren Präsident Max Guther, der zuvor als Stadtbaurat die Geschicke der HfG Ulm begleitete, ist mit allen Detailfragen zeitgemäßer Designausbildung bestens vertraut und unterstützt das Vorhaben.

Im Glauben an eine zukünftige Gesamthochschule fordert ein unerfahrener Landtagsabgeordneter die Übernahme der Werkkunstschule in die gerade formierte Fachhochschule. Um eine spätere Angliederung an die Technische Universität nicht zu erschweren, solle die Werkkunstschule aber in einen eigenständigen Fachbereich mit den notwendigen Besonderheiten der Gestalter*innenausbildung (etwa der Aufnahmeprüfung) überführt werden. Am 1. August 1971 erfolgt die Gründung des Fachbereichs Gestaltung der Fachhochschule Darmstadt, dessen Leitung Heinz Habermann übernimmt.

Ein neues Profil entsteht (1971–1990)

Im Zuge allgemeiner Trends orientiert sich das Studium jetzt ausschließlich an den Erfordernissen der Industrie. So entsteht ein dreizügiges Lehrprogramm mit den Schwerpunkten Industriedesign, Kommunikationsdesign (Grafik, Foto, Film) und Innenarchitektur. Letzterer wird später in den Fachbereich Architektur verlagert. Um das neue Profil nach außen zu tragen, veranstaltet Habermann 1972 die Ausstellung »Gestalterische Grundlagen – Syntaktik«.

Eine ergänzende Vortragsreihe zu aktuellen Problemen der Informationstheorie und der Designwissenschaften mit prominenten Rednern wie Max Bense, Max Bill, Oskar Holweck, Wolfgang Metzger und Fritz Seitzdient der inhaltlichen Vertiefung und Diskussion. 

Als die feierlich inszenierte Jubiläumsschau »Ein Dokument Deutscher Kunst 1901–1976« im benachbarten Ausstellungsgebäude zelebriert wird, übt sich der Fachbereich in ironischer Bescheidenheit. Hier zeigt man das ›gewöhnliche Design‹. In der abgedunkelten und mit schwarzem Samt ausgeschlagenen Aula empfangen den Besucher rund 100 unscheinbare, auf einzelnen Stelen unter Plexiglashauben würdevoll aufgebahrte Alltagsgegenstände: ein Federball, ein weißer Plastikbecher, ein Autokennzeichen. Es sind Objekte, die nicht von namhaften Gestaltern entworfen sind und sich dennoch perfekt in den menschlichen Alltag integrieren – so perfekt, dass sie gar nicht auffallen. Die Ausstellung, die von der Presse äußerst positiv aufgenommen wird, erinnert eindringlich daran, dass Design nicht für Unternehmer oder Museen gemacht werden sollte, sondern für alle Menschen.

Vielfalt als Chance – 1990 bis heute

In der jüngeren Vergangenheit versteht sich der Fachbereich Gestaltung im besten Sinne »als bunte Wiese« mit unterschiedlichen Lehrpositionen. Der sachlich technokratische Stil, der für Darmstadt die letzten Jahrzehnte typisch war, wird weiterhin erfolgreich gepflegt. Im November 1990 findet in Zusammenarbeit mit dem Institut für Neue Technische Form das Symposium Standpunkte zu Schrift und Typografie statt. Hauptthema ist die Auseinandersetzung mit den Einflüssen der Computertechnologie auf die Schriftgestaltung.

Als Fazit bleibt der Anspruch der Lehrenden, neue Sehweisen, Haltungen und Ziele der Gestaltung durch solche Veranstaltungen weiterhin im Dialog zu halten. Der Schwerpunkt Fotografie im Studiengang Kommunikationsdesign trägt besondere Früchte. Absolvent*innen initiieren die mittlerweile bundesweit angesehenen Darmstädter Tage der Fotografie und untermauern damit den wachsenden Ruf der Ausbildungsstätte, die mit Barbara Klemm seit dem Jahr 2000 eine international renommierte Fotografin als Honorarprofessorin in ihren Reihen weiß. Nach dem Jahrtausendwechsel wird am Fachbereich Gestaltung mehr als die Hälfte der Professorenstellen neu besetzt.

Auszug aus Kai Buchholz/Justus Theinert: Designlehren – Wege deutscher Gestaltungsausbildung. In: Querschnitt. Beiträge aus Forschung und Entwicklung. 23 (2009). S. 94–111.